Arbeit ohne Sinn: Wie wir uns ruinieren, was die Jugend will und warum es Prozessbegleiter:innen braucht
Der Unsinn und die Fakten unserer Jobs
In der ARTE-Doku "Arbeit ohne Sinn" wird eine Gallup-Studie zitiert, wonach heute 20% der Beschäftigten in Büros engagiert sind. Und der Rest? 61% sind unbeteiligt und 19% sind sogar so unzufrieden, dass sie gegen das eigene Unternehmen arbeiten. Das hinterlässt bei vielen Staunen. Wenn man aber in so einem Büro arbeitet, kann man es nachvollziehen. Manche leiden stark. Überforderung, Frustration und bei 3 von 5 Millennials sogar Burnout sind die Folgen.
Im 2. Weltkrieg wurde in einem Handbuch für Widerstandskämpfer zusammengefasst, wie man feindliche Kriegsmaschinerie sabotiert. Im "Sabotage Handbuch" steht z.B. "Unterbrich die Arbeit so oft wie möglich", "Setze Meetings an, wenn wichtigere Arbeit zu tun wäre", "Vervielfache den Papierkram" oder "Alle Entscheidungen werden von einem Komitee entschieden". Kommt einem doch bekannt vor, oder?
Ende der 70er Jahre wurden Menschen immer mehr als Ressource und als Bilanzposition gesehen. Dadurch wurde Management by objectives falsch kanalisiert und führt gemeinsam mit der Sabotage unserer Arbeit zu einem Team, das nicht mehr kann und irgendwann nicht mehr will. Die Chef:innen bzw. CEOs waren oft durch fachliche Expertise oder langer Betriebszugehörigkeit zum Job gekommen und daher oft überfordert. Diese mussten zwischen wirtschaftlichen Zahlen und sozialen Befindlichkeiten vermitteln, was bis heute immer mehr zum Thema wurde. Da diese Aufgabe viele fachliche hochqualifizierte Manager:innen überforderte, brauchte es eine Lösung. Es wurden Berater:innen engagiert, um Berichte zu verfassen und wirtschaftliche Entscheidungen argumentieren zu können. Man sieht in der Doku sehr gut, warum das auch keine Lösung war. Wie sieht diese "Arbeit ohne Sinn" heute, und noch wichtiger, in der Zukunft aus?
Unsere Jugend: Persönliche Entwicklung gegen wirtschaftlichen Erfolg
Waren es in den letzten Jahrzehnten die Menschen in Büros, die als Ressource gesehen und oft auch ausgenutzt wurden, wendet sich das Blatt langsam. Wir stehen vor einer der größten Herausforderungen, seit es Büroarbeit gibt. Die Babyboomer gehen in Pension und die Millennials sind auf der Sinnsuche. Fachkräftemangel ist dabei für mich ähnlich verharmlosend wie Klimakrise. Es sind beides Krisen. Die Fachkräftekrise wird neben Künstlicher Intelligenz unsere Arbeitswelt verändern, weil wir unsere Kinder nicht darauf vorbereitet haben. Die Klimakrise hat und wird unseren Planeten verändern, weil wir nicht im Sinne unserer Kinder gehandelt haben und immer noch nicht handeln. Oft wird bei der Sinnsuche der Jungen aber unterschätzt, welche Kraft in dieser Suche steckt. Schnell abgetan kommen dann Floskeln, wie Work-Life-Balance ohne Work oder, dass die Jungen alle nicht wissen, was Arbeit bedeutet. Als Berater sehe ich es als meine Aufgabe zu versuchen immer alle Seiten zu verstehen. Die klassische Büroarbeit wird von jenen verteidigt, die nur das, also oft auch "Arbeit ohne Sinn", kennen. Die Jungen bekommen dies mit und wollen oft nicht mehr ins böse Hamsterrad einsteigen.
Die ganz Jungen (Gen Z oder Alpha) suchen nach dem Sinn und die Millennials dazwischen sind hin- und hergerissen. Wenn sich dann die Möglichkeit bietet, etwas an ihrer Arbeit zu ändern, zögern viele. Bei mir war es Glück im Unglück. Das Unglück hieß Corona ohne Impfung, begleitet von einigen Schicksalsschlägen. Das Glück war die Erkenntnis, dass der Zeitpunkt einen Teil meiner Firma zu verkaufen gekommen war. Viele haben aber so ein Glück im Unglück, den Mut oder die Zukunftsvisionen nicht, die es für solche Schritte braucht.
Unser Bildungssystem zerstört zusätzlich jegliche Neugier und viele Interessen unserer Kinder. So werden unsere Kinder in der Schule auf die "neue Fabrikarbeit" bzw. die Arbeit im Büro ohne Sinn vorbereitet. Es gibt dabei wenige Lichtblicke im heutigen Schulsystem. Fakt ist, wenn ein System – egal ob es Büro, Schule oder Politik betrifft – geändert werden muss, leiden all jene am meisten, die bis zuletzt darin gefangen sind. Zusätzlich ist der wirtschaftliche Faktor heute extrem. Millennials verdienen um 40% weniger als ihre Eltern und Großeltern. Die nächste Generation will sich diesem Hamsterrad nicht mehr aussetzen. Warum auch? Es macht nicht glücklicher. Man verdient nicht besser. Und am Ende winkt Überforderung und Burnout. Und da sagen trotzdem viele, sie verstehen die Jugend nicht – naja, wenn man darüber ernsthaft nachdenkt, doch dann wird man das verstehen müssen.
5 Dinge, die wir tun sollten, um im Job glücklich zu werden
Arbeitsbelastung
Die Erschöpfung ist für viele zum Normalzustand geworden. Wenn man vom Chef immer mehr Aufgaben bekommt, ohne das Ausmaß zu hinterfragen, dann wird aus der anscheinend normalen Anforderung rasch eine Überforderung. Einerseits fehlen Werkzeuge, um für diese Anforderungen gerüstet zu sein. Aber vor allem fehlt auch der menschliche Aspekt. Wenn die Chef:in ernsthaft zuhört und die Mitarbeiter:in ehrliche Leistung bringen will, dann entsteht ein zukunftsfähiges Team, unabhängig von der Betriebsgröße. Ein:e Vermittler:in dazwischen kann notwendige Klarheit in Prozesse bringen.
Kontrolle
Ein Grund, warum es in den letzten Jahren einen Boom der neuen Selbstständigen gibt, ist der Wunsch nach Autonomie. Andererseits steht dem das Bedürfnis nach Sicherheit gegenüber. Beides ist menschlich und die Controller:in bzw. die Chef:in muss das berücksichtigen. Selbst entscheiden, Vertrauen haben, Respekt vor der Autonomie – all das ist schnell gesagt, aber schwer durchzuhalten. Das Team muss Kontrolle nachvollziehen und offen leben können. Die Chef:in muss genau das verständlich machen und eine:n Ansprechpartner:in anbieten, die/der zwischen den Zeilen lesen kann.
Belohnung
Das Gehalt steht bei den Jungen ganz oben, meinen viele. Und ja, wenn man sich schon ins Hamsterrad wirft, dann will man auch eine entsprechende Entlohnung haben. Doch auch Feedback zu Arbeit, Anerkennung für Verantwortungsbewusstsein und Wertschätzung für die oft unsichtbare Wissensarbeit sind Themen, die aktuelle und folgende Generationen antreibt. Wir steuern nach der Arbeit ohne Sinn auf "jobs with purpose" hin. Also Jobs, wo Sinn und Zweck die Mitarbeiter antreibt. Und manchen wird beim Durchdenken dieser Neuausrichtung der Arbeitswelt langsam klar: Das Geld muss stimmen, aber es wird unsere Arbeit nicht bestimmen. Den Sinn gemeinsam weiterzuentwickeln und das Team darin zu bestärken ist auch die Aufgaben eines Prozessbegleiters bzw. einer Prozessbegleiterin.
Gemeinschaft
Was man gemeinsam erreichen kann, wird man allein nie schaffen können. Doch wie kann man dieses wichtige Gemeinsame im Team stärken, aber trotzdem auf Flexibilität der Arbeitszeit, Home-Office und Teilzeit setzen? Ja, es ist eine Herausforderung und scheint so als würden sich Gemeinsamkeit und Flexibilität ausschließen. Doch gerade in modernen Teams merkt man auch aus der modernen Kommunikation heraus einen sozialen Zusammenhalt. Wenn man dann noch auf den Respekt und das Vertrauen zum richtigen Zeitpunkt setzt, schafft man beständige Werte – und für viele den so wichtigen Sinn.
Gerechtigkeit
Aus dem allen – Purpose, Controlling, Team und Respekt – entsteht echte Energie des Gemeinsamen. Statt einem Konflikt der Werte, entsteht Achtung des Individuums. Die neue Gerechtigkeit darf nicht Spielball von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverter:innen sein. Es geht schließlich nicht nur darum, irgendwie einen Job zu haben und zu verteidigen. Es geht nun endlich wieder um Arbeit mit Sinn. Und schließlich auch um echte Dankbarkeit für seinen Arbeitsplatz.
Menschen wollen etwas leisten und die Welt für ihre Mitmenschen besser machen. Das ist die große Chance nach der beschriebenen Arbeit ohne Sinn. Es ist die Chance der sogenannten "New Work". Es geht nicht mehr um Optimierung, das überlassen wir Robotern bzw. KI. Es geht um den sozialen Bedarf wertvoller Arbeit in unserem Leben. Diese Chance gilt es zu nutzen. Dann macht die Arbeit auch wieder Sinn.
Prozesse in Organisationen zu begleiten, zu bestärken und weiterzuentwickeln ist aus meiner Sicht eine sehr sinnstiftende Tätigkeit. So habe ich das gefunden, was mir nicht nur Freude macht und unsere Kunden weiterbringt. So macht es für mich auch echt Sinn.